ERINNERUNGEN AUS MEINEM LEBEN
Burjan Gisela, 0bere Hauptstr. 8, 7162 Tadten
Aus dem Archiv von OSR Franz Kurcsis (1932 - 1990)
(c) 2017 Konrad Unger, 7151 Wallern
Meine Kindheit
1922 wurde ich nach dreijähriger Ehe meiner Eltern als drittes Kind geboren. Nach ein paar Jahren wuchs der Kindersegen auf 3 Buben und 3 Mädchen heran.
Da mein Großvater das Haus teilte und zweien seiner Söhne schenkte, war es eine sogenannte Halbwirtschaft. Mein Onkel hatte auch 6 Kinder, so waren wir im Haus (Nr. 20) 12 Kinder. Es war zwischen den Kindern kein großer Altersunterschied. In unserem Nachbarhaus Nr. 21, jetzt Obere Hauptstraße 6, lebten 3 Familien, die zusammen 19 Kinder hatten. Die zweiten Nachbarn hatten 7 Kinder. So waren wir in diesen drei Häusern 32 Kinder. Heute, nach
67 Jahren, wohnt in diesen drei Häusern nur mehr 1 Kind.
Wir 32 Kinder waren wie eine große Familie, immer fröhlich und friedsam. Für einen Schnuller wurde kein Geld ausgegeben. Als ich 5 Jahre alt war, und meine kleinen Brüder weinten, konnte ich sie schon beruhigen. Das hat mir meine Ahnl gelernt. Ich habe Zucker mit ein wenig Kümmel zerkaut, in ein Leinenfetzerl gegeben und mit Zwirn umwickelt. Der Lutscher war fertig und die Brüder brav. Mutter hatte ja für uns wenig Zeit, daher mussten wir uns gegenseitig helfen.
Meine Schwester und ich haben solange gemeinsam in einem Bett in der Kammer geschlafen, bis sie heiratete. Aber wir waren zufrieden, denn in der Nachbarfamilie mussten 10 Personen in einem Zimmer schlafen, weil sie in ihrem Haus nur 4 Betten unterbringen konnten.
Unser Spielzeug war eine Handvoll Steine, ein Holzstanitzerl und eine selbstgemachte Fleckerlpuppe. Wir konnten stundenlang Tempelhupfen.
Wir wurden alle tief religiös erzogen. Während der 40-tägigen Fastenzeit mussten wir jeden Tag kniend beten. Wenn wir noch so schön spielten, aber abends die Glocken läuteten, liefen wir um die Wette zum Kniebeten. Ich erinnere mich noch gerne an die Zeit, wo wir alle 6 Kinder mit unseren Eltern um den großen Tisch knieten. Ein kleiner Lichtstrahl vom Ofen war die Beleuchtung. Wir hatten noch kein elektrisches Licht und mit dem Petroleum und den Kerzen musste gespart werden.
Als Obst kannten wir nur die "Maibeeren" (Maulbeeren). Da kannten wir jeden Baum im Ort.
Gekocht wurden viele Knödel, Strudeln. Besonders liebte ich die Sauermilchnudeln (Baunzinudeln). Am Sonntag gab's Rindfleisch, 60 dkg für alle acht Personen.
In der offenen Selch war ein Dreifuß, darauf kam eine Rein (flacher Kochtopf) aus Gusseisen. In der wurde alles gekocht. Geheizt wurde mit Mohnstauden und Kukuruzstengeln. Sogar die Spritzkrapferin wurden bei offenem Feuer gebacken. Diese hat die Ahnl so gut gemacht, dass ich sie im ganzen Leben nicht vergesse.
Meine Mutter war eine sparsame, genaue Frau. Mein Vater hingegen war lustig, er lehrte uns singen, die Zufriedenheit und die Gemütlichkeit.
Trotz der Armut, die damals herrschte, denke ich gerne an meine Kindertage voller Glück zurück.
Meine Schulzeit
Von meiner 8-jährigen Schulzeit habe ich nur schöne Erinnerungen. Ich glaube kaum, dass es eine Zeit gab, an die ich mich nicht gerne erinnern möchte.
Mit fünf unserer Nachbarskinder besuchte ich die erste Klasse Volksschule. Wir waren 30 Mädchen und 23 Buben. Unsere Frau Lehrer Heinz war ein Engel. Ich ging ab dem ersten Tag gerne in die Schule und war sehr eifrig.
Wenn unsere Frau Lehrerin was brauchte, durfte ich ihr Milch und Brot holen. Am Schulschluss schenkte sie mir eine kleine mit Veilchen bemalte Vase. Da hatte ich die größte Freude meines jungen Lebens.
In der zweiten Klasse starb im ersten Halbjahr unser Lehrer Kadnar und wir bekamen den Herrn Lehrer Motal. Ihn hatten wir vom ersten Tag an alle gern. Er unterrichtete uns 4 1/2 Jahre. Er sang mit uns gern und schön. In der
6. Klasse lernten wir 70 Lieder. Als unsere Freundin Susi starb, lernte er uns das schöne Lied: "Schönster Herr Jesus". Wir haben es das erste mal vor dem Grab gesungen.
Ich hätte gerne eine höhere Schule besucht, aber meine Eltern konnten mich nicht lernen lassen, weil kein Geld da war und sie schon froh waren, dass sie die drei älteren Kinder zur Arbeit mitnehmen konnten. Mein jüngerer Bruder durfte studieren.
In den letzten drei Klassen gingen wir immer in dieses Schulhaus, das dort stand, wo heute das neue Feuerwehrhaus steht. Beim Turnen hatten wir es gut, wir mussten nur ein paar Schritte gehen und konnten schon Völkerball spielen oder Schnur springen. Unser Lehrer war zu uns wie ein guter Freund. Wir durften auch immer unser Herz bei ihm ausschütten.
Vor unserem Herrn Dechant, Herrn Flicker, hatten wir große Ehrfurcht aber auch Angst. Ich glaube, er konnte in seinem ganzen Leben nicht einmal lachen. Auch wir durften vor ihm nicht lachen, sonst wurden wir an den Haaren gerissen.
Bei der Handarbeit wetteiferten wir. Zum Schulabschluss gab es immer eine Ausstellung, bei der auch unsere Mütter alles anschauen konnten. Einmal erhielt ich als Preis ein Lederkofferl voll mit Wolle. Ich war sehr stolz.
Bald war der letzte Schultag da und mit ihm das Entlassungszeugnis. Unser Herr Lehrer Motal sprach zu uns wie ein guter Vater. Wir haben viel geweint. Noch lange trauerte ich der Schulzeit nach.
Meine Jugend
Kaum der Schule entwachsen, wurde ich als volle Arbeitskraft eingesetzt. Vor dem Schulschluss lernte mir Vater schon das Dreschen mit dem "Handdrischl" Dreschflegel. Wir machten das Bandelstroh für die Ernte, bei der ich schon mithelfen musste. Auch bei der Heuarbeit war ich über die Nacht im Waasen.
Wir hatten immer viel Wäsche, so war auch das Waschen eine Menge Arbeit. Da mussten wir stundenlang am Waschtrog bürsten. Es wurde nur "Stehlauge" und selbstgemachte Seife verwendet. In ein großes Holzfass wurde Asche hineingegeben und mit Wasser gefüllt, das ergab ein weiches Wasser und wurde nur zum Waschen verwendet. Die Seife wurde zweimal im Jahr gekocht. Wurde geselchtes Fleisch gekocht, so setzte sich auf dem Wasser Fett ab. Das wurde in einem Topf gesammelt und mit Laugenstein gekocht. Nach dem Erkalten wurde die Seife herausgeschnitten. Mit der Essenz, die unten im Topf blieb, reinigten wir das ganze Haus. Daher brauchten wir für das Waschen und für das Reinigen des Hauses keinen Groschen Geld.
Auf die Felder mussten wir überall zu Fuß hingehen. Nur bei der Ernte wurden wir mit dem Wagen gefahren. Auch Wallfahrten nach Frauenkirchen gingen wir jedes Jahr zweimal zu Fuß, öfter auch über Nacht. In der Karwoche gingen wir jeden Abend zu einem anderen Feldkreuz beten, das hat mich auch sehr beeindruckt. Am Ostermorgen um 2 Uhr weckte der Nachtwächter die Leute "Auf zum Beten gehen!" Da ging die ganze Familie mit. Wir gingen zu jedem Kreuz beten, bis zum Friedhof, wo das Beten endete. Es dauerte 4 - 5 Stunden. Nachts gab es schon ein geselchtes Fleisch und Osterflecken.
Ich habe in meiner Jugend viel gesungen. So waren wir auch im März 1938 singen für den Kirchenchor. Auf einmal stürzte der Lehrer Brenner leichenblass bei der Tür herein und sagte: "Schuschnigg hat abgedankt." das war für uns so etwas Großes, wenn ich schon daran denke, läuft es mir heute noch kalt über den Rücken. Und von da an hat sich alles geändert. Denn ab dem kommenden Morgen gab’s nur einen Gruß "Heil Hitler".
"Ganslschoppen und Federnschleißen"
Mit besonderem Fleiß und besonderer Sorgfalt wurde auf die Gänsearbeit geschaut, wenn 3 Töchter heranwuchsen.
Wir hatten immer 3 Zuchtgänse und einen Gänserich. Meistens bekamen wir 30 Ganserl, die wir Kinder schon nach acht Tagen auf der Wiese hüten mussten. Wenn sie größer wurden und schon ausgewachsen waren, wurden sie gerupft. Bei 30 Stück war das ein schönes Stück Arbeit. Wir waren meistens zu dritt: Mutter, meine Schwester und ich.
Öfter wurden sie zweimal gerupft, ehe sie in die "Schopp" kamen. Für den Kirtag schoppten wir jedes Jahr 2-mal am Tag 6 Gänse und 4 Enten, die übrigen wurden verkauft.
Der Kukuruz wurde im Wasser eingeweicht und ein wenig Schweineschmalz hineingegeben, damit er besser rutscht. Dann wurde der Schlund der Gans damit vollgestopft.
Nach 3 Wochen waren sie fett genug. Die Gänse aßen wir am Kirtag. Das Schmalz war das Essen während der ganzen Rübenarbeit.
Meine Mutter brauchte viele Federn bei 3 Mädchen. Sie brauchte für eine Bettgarnitur 8 kg Federn. Daher mussten wir auch jedes Jahr im Winter 14 Tage "Federnschleißen". Das waren auch die schönsten Abende des Jahres. Zu zehnt saßen wir um den großen Tisch. Wir hatten meist immer nur lustige Frauen und Mädchen eingeladen. Es wurde gesungen und Witze erzählt und dabei Tränen gelacht. Nachher gab es Tee mit Beugel.
Am letzten Tag kam der "Federzipf". Da ging es hoch her. Es gab gutes Essen mit Kuchen. Sogar getanzt haben wir öfters, und jeder wünschte sich, dass er das nächste Jahr wieder dabei sein könnte.
Kukuruzarbeit
Die Kukuruzarbeit war immer eine schöne Zeit vor dem Kirtag. Bei Tag wurde der Kukuruz abgenommen und abends kamen dann die Kameraden meines Bruders und halfen mit. Sie kamen auch gerne, weil mein Vater viele Witze erzählte und ihnen die alten Lieder lernte. So war eine Nacht schöner als die andere, das war auch die einzige Gelegenheit, dass wir vor den Eltern mit den Burschen beisammen sein durften, sonst konnten wir uns nur heimlich treffen. Nach Arbeitsschluss gab es selbst gemachte Butter, Sauermilch auch Wein. Nachdem wir uns gestärkt hatten wurde zusammen geholfen und der Schuppen sauber gemacht. Einer der Burschen brachte ein Grammophon mit und wir tanzten bis Mitternacht. Im Jahr 1935 habe ich im Schuppen das Tanzen gelernt und so verging Jahr für Jahr bis 1939 der Krieg ausbrach, dann war mit einem Schlag alles Schöne vorbei.
Die alten Zeiten
Die Grundbesitzer konnten aber ihre Arbeit mit ihrer Familie nicht alleine bewältigen, sie braucht Hilfe. Das war so, jedes Jahr um den 24. April dem Georgi Tag wurden die Dienstboten aufgenommen. Je nach Größe des Besitzes. Einen Großknecht, einen Burschen und einen Hirtenknaben. Die Buben in der letzten Volksschulklasse sind
vom 1. November bis zum 1. April in die Schule gegangen. Der Bauer brauchte auch eine Großmagd und ein Kindermädchen. Außerdem Schnitter Leute, das waren meistens ein armer Familienvater und seine Frau.
Im Bauernhof waren Pferde, Kühe, Schweine und alle Arten von Geflügel. Alles wurde händisch angebaut. Das Getreide und Heu wurde mit der Sichel später mit der Sense geschnitten. An Gemüse gab es Zuckerrüben, Ziguri, Kraut, Kohl, Bohnen, Zwiebeln, Knoblauch, Paprika, Tomaten und Melonen war auch noch nicht bekannt.
Die Dienstboten begannen ihre Arbeit um 5:00 Uhr früh, da die Kirchenglocke den Tag einläutete. Alles Vieh wurde gefüttert und getränkt, alle Stallungen ausgemistet, die Kühe gemolken. War das alles getan, begann die Feldarbeit. Nicht so gut ging es den armen Leuten die außer Dorf am Gutshof am Albrechtsfeld gearbeitet hatten. Die waren schon bei Morgengrauen unterwegs, weil sie 4 bis 5 km zu Fuß gehen mussten. Mit Werkzeug und Brotsäckerl am Buckel. Im Brotsäcken war nicht viel drinnen, zum Brot gab es ein Stück Speck oder geselchtes Fleisch oder Butter. Der jüngste musste immer das Wasser tragen.
Vor dem ersten Weltkrieg ging es den Leuten nicht gut, erst nach 30 Jahren wurde es besser. Reich und Arm hatten damals viele Kinder gehabt. Es war keine Seltenheit, dass 14 bis 16 Kinder in einer Familie geboren wurden. Die Kindersterblichkeit war hoch. Von 14 bis 16 Kindern wurde nur sechs bis acht Erwachsene. Die Kinder sorgten später für die Eltern, es gab damals keine Rente. Die Alten sagten, dass das Familienleben schön war. Die Kinder kannten keine Angst, denn ihre Eltern waren Tag und Nacht bei ihnen. Waren Vater und Mutter nicht zu Hause, so waren schon die größeren Kinder da, oder solche Leute die im gleichen Hof gewohnt haben. Es waren immer zwei oder drei Parteien in einem Hof. Die armen Leute hatten meist nur eine Küche oder ein Zimmer in den jeweils ein oder zwei Betten standen. Vater und Mutter schliefen in einem Bett, die Knaben im zweiten Bett, die Mädchen in der Truhe mit Rädern, das kleinste Kind schlief in der Tischlade. Es gab solche Fälle, wo das älteste Kind geheiratet hat und das kleinste in der Wiege lag. Derzeit haben auch die Arbeiter stockhohe Häuser. Die Andauer sind reich.
Geschrieben im Jahr 1985
HYMNE AN DIE HEIMAT
Die Pußta nah' der Grenze
ist unser Heimatland,
der Hansag, das ruh'ge Plätzchen,
ist weit und breit bekannt.
Wer einmal kommt nach Tadten,
den erwartet ganz gewiss
im Naturschutz, der sich weit erstreckt,
ein Vogelparadies.
Die Trappen in den Lüften
verschönern das Landschaftsbild.
Die Ähren der fruchtbaren Felder
wiegt leise der warme Wind.
Durch Hände schwerer Arbeit
wächst unser täglich Brot,
daran wollen wir uns laben
und danken unserem Gott!
Edler Wein, Obst und Gemüse
sind rundum weltbekannt -
trotz schwerer Müh und Arbeit
lieben wir unser Heimatland.
Und alle Gaumenfreude
die uns're Heimat lockt,
die wissen es zu schätzen -
hier wird pannonisch gekocht!
Der gute Krautstrudel,
dazu rescher Wein,
wer möcht' da nicht für immer
ein waschechter Tadtener sein!
Und wenn wir dann müssen scheiden
lieb Heimaterd` sei uns leicht,
ganz friedlich geben die Glocken
zum Abschied das letzte Geleit!
MEIN TADTEN
In Tadten herin herrscht a gmiatlicher Sinn.
Do san d'Leut so lustig und sauber is drin.
Es wochst viel Kukarutz und ah der beste Wein,
ich bin holt so glücklich, aus Tadten zu sein.
Grod außi im Red`n, ollaweil das richtige Wort.
Ohne Stolz und so fleißi, des is in Tadtnern ihner Art.
Und is amal a Wettbewerb, des is kloar,
do geht ah nur a Tadt`ner als Sieger hervor.
Das Singa bei uns is a Hobby seit eh und je,
hiaz kemma sogar die Chöre aus Übersee.
Mei Muida hot gsogt und hot dabei glocht:
"Der Hergott hot gsunga, wia er Tadt`n hot gmocht."